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Jacques Baud: Putin – Herr des Geschehens?

Den Wahrheitsgehalt dieses Buches zu überprüfen, ist genauso schwierig wie Medienberichte und Social Media Posts über den Ukraine-Krieg …

Jacques Baud: Putin. Herr des Geschehens?
Jacques Baud
Putin. Herr des Geschehens?
978-3-86489-426-8
Westend Verlag
https://www.westendverlag.de

Jacques Baud ist Schweizer, hat einen Master in Ökonometrie und ein abgeschlossenes Nachdiplomstudium in internationaler Sicherheit und internationale Beziehungen. Er war als Analyst für den Schweizer Strategischen Nachrichtendienst für den damaligen Ostblock und den Warschauer Pakt zuständig und leitete die Doktrin für friedenserhaltende Operationen der Vereinten Nationen in New York, wo er zuständig für die Bekämpfung der Proliferation von Kleinwaffen bei der Nato war und war an Nato-Missionen in der Ukraine beteiligt.

Lange Zeit galt er anscheinend als Militär- und geopolitscher Experte, vor allem Kenner des östlichen Europas, heute wird ihm zunehmend eine Nähe zu Putin und die Übernahme russischer Argumentation vorgeworfen. Im Gegenzug wirft er den westlichen Medien vor, sich komplette der amerikanischen Sichtweise verschrieben zu haben. Und damit haben wir wieder einmal einen anscheinend unüberwindlichen Gegensatz vor uns, der den Westen immer stärker teilt und immer mehr zum Problem wird und noch werden wird.

Seine Argumente:

  • Die USA will eine allzu starke Annährung Europas an Russland verhindern.
  • Die orangene Revolution der Ukraine war von den Amerikanern unterstützt und gar nicht von der Mehrheit der Ukrainer gewünscht
  • Der Westen und damit auch die Nato versprach bei der Osterweiterung die Nato nicht an die Grenzen Russlands heranzurücken
  • Die Regierung Poroschenko hat den Konflikt ausgelöst, indem man Russisch als Amtssprache verboten hat und auch Renten- und Sozialhilfezahlungen an russischstämmige Bürger der Ukraine gestoppt hat.
  • Die Ukraine hat ihre eigene Bevölkerung bombardiert.
  • Russland hat als Schutzmacht der russischen Minderheit wiederholt bei der UNO gegen die ukrainischen Regierungsmaßnahmen protestiert, ohne dass zum Schutz der russischstämmigen Minderheit etwas unternommen wurde
  • Das Einschreiten Russlands ist konform mit dem UN-Prinzip der Schutzverantwortung (R2P) und hat unter Berufung auf Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen interveniert.

Es ist mir unmöglich, den Wahrheitsgehalt zu überprüfen und selbst wenn alle diese Argumente stimmen sollten, ist es immer noch fraglich in ein – anderes – freies Land einfach einzumarschieren. Es sterben bei diesem Krieg nicht „nur“ Ukrainer, sondern es kommt auch, oder vor allem die russische Bevölkerung in den „abtrünnigen Gebieten“ zum Handkuss, also genau jene, die man eigentlich schützen wollte.

Dennoch muss eine Lösung gefunden werden und diese Lösung kann nicht in der weiteren Drehung der Gewaltspirale liegen. Erst kürzliche meldete Polen an die Nato, dass belarussische Hubschrauber in ihr Staatsgebiet eingedrungen sind. Was ist also der nächste Schritt? Polen hochzurüsten und Krieg gegen Belarus zu führen?

Ohne jetzt als Putin-Versteher gekreuzigt zu werden, finde ich, dass sich viele Medienberichte darin überschlagen, Putin als den schuldigen Tyrannen zu brandmarken. Wie oft wurde schon über seine angeblichen ernsten Erkrankungen berichtet? Über Aufstände? Darüber, dass sein Stern im Sinken sei, dass die Bevölkerung gegen diesen Krieg sei? Dass die Armee zusammenbrechen werde?

Was ist von all diesen Voraussagen passiert? Nichts. Ich kann daher in einem Punkt Jaques Baud folgen, der meint, dass alle Fakten auf den Tisch gehören und endlich nach einer Lösung des Konflikts gesucht werden muss.

Was ich unter anderem – aber auch in dem Buch von Baud – vermisse, ist die Tatsache, warum eigentlich die anfänglichen Bemühungen von Selenskyj den Konflikt im Donbass zu lösen, nicht erfolgreich waren. Wenn ich mich richtig erinnere, war er bei der Übernahme der Präsidentschaft optimistisch, das Problem lösen zu können.

Fazit: Das Buch liefert einige interessante Sichtweisen, deren Wahrheitsgehalt nicht zu überprüfen sind. Was mich nun sehr freuen würde, wäre ein Buch der „Gegenseite“ zu lesen, um die Argumente beider vergleichen zu können. Ich, als Leser, bleibe wieder ratlos zurück ...


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