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Dort, wo drei Staaten zusammentreffen, ein Dreiländereck bilden, gibt es üblicherweise Gedenksteine, Fahnen und eine jährliche Grenzlandwanderung.

All das finden Sie auch im Dreiländereck von Österreich – Ungarn und Slowenien. Deswegen zieht es uns aber nicht in diesen Landstrich.

Buntes Mitteleuropa (Foto © Josef Wallner)
Buntes Mitteleuropa (Foto © Josef Wallner)

 

Es ist der besondere Zauber, der über diesem Land liegt. Ein wenig erinnert es uns an Nangijala, das Land mit dem Heckrosental, in dem Astrid Lindgrens Brüder Löwenherz ihre Kämpfe bestehen. Der Zauber entfaltet sich besonders im ungarischen und slowenischen Teil, wo die Straßen bei Weitem nicht so breit und gut sind wie auf der österreichischen Seite und die Häuser nicht so modern, dafür aber gemütlich sind. Es ist noch viel vom Alten da, was sich über die Jahrhunderte als gut nützlich erwiesen hat: die Vorgärten bei den pannonischen Häusern, so reich an Blumen, dass jeder Impressionist seine Freude hätte, die eleganten ungarischen Fassaden, die sortenreichen Hausgärten und die vor Kraft nur so strotzenden Bäume am Straßenrand. Für jene, die Reichtum nur an materiellem Lebensstandard messen, ist es ein armes Land. Reich ist es, wenn man die Vielfalt der Natur betrachtet – die Streuobstwiesen, die alten Weingärten, die knorrigen Bäume, durch deren schon welk werdende Blätter der heiße Sommerwind weht. 

Beschwerliches Leben (Foto © Josef Wallner)
Beschwerliches Leben (Foto © Josef Wallner)

Zurück in Österreich haben wir nicht selten das Gefühl, als ob ein dünner grauer Schleier das Land überzogen habe. Die Rasen sind akkurat gemäht, statt kreuz und quer stehender Obstbäumen reiht sich eine säuberlich geschnittene Tujenhecke an die nächste. Die Häuser mit ihren großen einflächigen Fenstern wirken verschlossen, wie kleine Trutzburgen, daran ändert auch die Behübschung mit den unvermeidlichen Balkonprinz nichts. Das jahrzehntelange Primat des Autos ist an den breiten Dorfstraßen nicht zu übersehen. Bunte Vorgärten findet man selten, dafür ein breites Asphaltband als Gehsteig. 

Viele Sprachen führen zur Kirche (Foto © Josef Wallner)
Viele Sprachen führen zur Kirche (Foto © Josef Wallner)

Trotzdem sehnt man sich auf der slowenischen und der ungarischen Seite nach dem österreichischen Standard. Verständlich, denn, wie gesagt, es ist ein armes Land. Jobs gibt es kaum und das Leben am Land kann sehr dumpf und schwer sein, es erzeugt nicht wenig Anpassungsdruck. Als Wochenendgäste fühlen wir uns frei, aber hier leben? Vielleicht sehen es viele ähnlich, zumindest in Ungarn, denn der Zipfel rund um (Ober- und Unter)-Zemming (Szölnök auf Ungarisch, Senik in Slowenisch) ist als Weekend-Sitz sehr beliebt. Wo sonst in Pannonien gibt es so herrliche Wälder? (Vom Schwammerlreichtum gar nicht zu reden.)

Foto © Josef Wallner
Foto © Josef Wallner

Nicht wenige Budapester Bobos haben sich hier ein Domizil geschaffen, vom klischeegerechten Aussteiger, der sein Glück nun hinter der Töpferscheibe sucht, bis zum gutverdienenden Banker mit Powerfrau, Kindern und großem Hund an seiner Seite. Leer stehende Gehöfte gibt es genug – zum Spottpreis und Gemeindeabgaben existieren de facto nicht.(Es gibt auch fast keine kommunalen Leistungen.) Wer von Montag bis Freitag im lauten Budapest ist, erlebt hier das Kontrastprogramm. Es ist einfach still. Ein gemächlicher sonntäglicher Landregen (wieso hört und fühlt sich Regen an einem Sonntag anders an als unter der Woche?) gilt hier fast schon eine Ruhestörung.

Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs in Unterzemming (Foto © Norbert Eisner)
Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs in Unterzemming (Foto © Norbert Eisner)

Es gab auch Zeiten, da ging es hier nicht so ruhig zu; zum Beispiel nach dem Ersten Weltkrieg, als die Völker Österreich-Ungarns sich ihren Anteil an der Konkursmasse des alten Reiches sichern wollten. Zuvor gehörte das ganze Gebiet, das Burgenland, das slowenische Übermurgebiet und die jetzt noch ungarische Region rund um St. Gotthard zum Königreich Ungarn. Die Friedensverträge von Trianon und St. Germain reduzierten das riesige Ungarn mit der Slowakei, Siebenbürgen, Kroatien und Slawonien, dem Banat, Fiume (Rijeka) und dem ungarischen Litorale (Küstenland) auf den recht kleinen ungarischen Zentralraum mit dem Wasserkopf Budapest. Das ziemlich rücksichtslose Streben der Magyaren aus ihrem Vielvölkerstaat einen ungarischen Nationalstaat zu machen, war damit zu Ende. (Die Ungarn sahen ihr radikales Nationalisierungsprogramm als durchaus erfolgreich an.) Die mangelnde Reflexion der Geschichte führt dazu, dass viele Ungarn bis heute noch Phantomschmerzen über den Verlust des ungarischen Großreichs fühlen. Die vielen Großungarn-Pickerl auf magyarischen Autos zeugen davon.

Kriegerdenkmal in Unterzemming mit deutscher Inschrift, nur der Ort wurde ungarisch bezeichnet
Kriegerdenkmal in Unterzemming mit deutscher Inschrift, nur der Ort wurde ungarisch bezeichnet

Die neue Grenze zwischen Österreich, dem ein großer Teil Deutsch-Westungarns zugesprochen wurde (als Burgenland neu erfunden), Ungarn und Slowenien war gar nicht einfach zu ziehen. In so manchem Ort wechselten hier nach dem Ersten Weltkrieg die Herren sechs Mal. Drei Grenzkommissionen, die ungarisch-österreichische, die südslawisch-österreichische und die ungarisch-südslawische befassten sich damit und legten bis 1922 den Verlauf der Grenze und den Dreiländergrenzpunkt exakt fest. Dass in diesem bunten Völkerfleckerlteppich Mitteleuropa die Ethnien nicht exakt den neuen Nationalstaaten zuordenbar waren, liegt auf der Hand. Und so gibt es bis heute eine slowenische und deutschsprachige Minderheit in Ungarn, so wie eine ungarische in Slowenien. Im Burgenland gibt es eine ungarische Minderheit und auch in der Steiermark haben es die Slowenen erreicht, als Minderheit anerkannt zu werden. (Das Dreiländereck betrifft es zwar nicht, aber andere Regionen Sloweniens: Die Anerkennung einer deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien als autochthone Gruppe mit denselben Rechten, wie sie Italiener und Ungarn genießen, ist in Slowenien politisch einfach nicht durchsetzbar.) 

Das Szeklertor (Foto © Thomas Roesler)
Das Szeklertor (Foto © Thomas Roesler)

Der kühle Weinkeller lädt auch an heißen Tagen in rustikalem Ambiente zu einer Verkostung der Hausmarken von Wein und Obstler ein. Preis auf Anfrage.

Nachdem uns Mischkulanzen wie diese immer interessieren, freuen wir uns über die dreisprachigen Ortstafeln und Straßenschilder im ungarischen Unterzemming besonders. 

Anreise

(Ziel: Oberzemming|Felsöszölnök|Gornji Zenik in Ungarn)
Von Wien: A2 – Sebersdorf/Bad Waltersdorf – Fürstenfeld – Richtung Heiligenkreuz – Rudersdorf – Felsöszölnök 
Von Graz: A2 – Ilz/Fürstenfeld – Fürstenfeld – Heiligenkreuz – Felsöszölnök

Foto © Josef Wallner
Foto © Josef Wallner

Anschauen

In allen drei Ländern gibt es Naturparks (in Ungarn Nationalpark), kleine Städte und durchaus imposante Schlösser zu besuchen. Die folgenden Links zu den Dreiländer-Natur/Nationalparks Raab-Örség-Goričko bieten alle notwendigen Informationen
www.naturparkraab.at (österreichische Seite) 
www.park-goricko.org (slowenische Seite) 
onp.nemzetipark.gov.hu (ungarische Seite)

Übernachten

Am Hof der Roeslers (Foto © Thomas Roesler)
Am Hof der Roeslers (Foto © Thomas Roesler)

In Oberzemming, am Johannisberg, befindet sich ein ganz besonderer Ort. Es ist das Gehöft von Thomas Rösler und Lidija Vindiš-Roesler. Folgen Sie ab der Ortsmitte immer dem Wegweiser „Ordo Sankt Wigberti" und nach einigen Minuten kommen Sie zum Hof mit dem schönen, aus Siebenbürgen stammenden Szekler-Tor. (Was es mit der Bezeichnung „Ordo Sankt Wigberti" auf sich hat, sei an dieser Stelle nicht verraten. Lassen Sie sich die spannende Geschichte vom Hausherrn erzählen.) Der aus Deutschland stammende Unternehmer und Schriftsteller und die aus dem untersteirischen Pettau (Ptuj) kommende slowenische Historikerin leben in Graz. In Oberzemming haben Sie ein kleines Paradies geschaffen, das erfreulicherweise auch Gäste aufnimmt.

Inspiriert zum Kochen: Die Küche von St. Wigberti (Foto © Thomas Roesler)
Inspiriert zum Kochen: Die Küche von St. Wigberti (Foto © Thomas Roesler)

Es gibt mehrere Gästezimmer. Sie wurden mit viel Liebe zum Detail und Kunstverstand mit alten Materialien ausgestattet. Die im traditionellen Stil erhaltene, hundert Jahre alte Küche ist ideal für Selbstversorger. Der restaurierte Sporherd mit zwei Backschüben, Brotbackofen und großer Herdfläche inspiriert zum Kochen regionaler Spezialitäten. Diese genießt man dann am besten auf der mit Weinreben überrankten Terrasse. Der Blick schweift über die Hügelketten und die Streuobst-Wiesen hinunter zum Wald, wo sich nicht selten die Rehe ein Stelldichein geben. 

  Mit der Liebe zum Detail – St. Wigberti (Foto © Thomas Roesler)
  Mit der Liebe zum Detail – St. Wigberti (Foto © Thomas Roesler)

Der kühle Weinkeller lädt auch an heißen Tagen in rustikalem Ambiente zu einer Verkostung der Hausmarken von Wein und Obstler ein. 
Preis: auf Anfrage.

St. Wigberti - Weinkeller (Foto © Thomas Roesler)
St. Wigberti - Weinkeller (Foto © Thomas Roesler)

Ordo Sankt Wigberti 
9985 Felsöszölnok, Alsójánoshegyi út 
Tel.: +43 664 374 00 69 
Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. 

Lesetipp
Ingrid Pilz. Unterwegs im Dreiländereck Ungarn – Österreich – Slowenien mit Tourenführer, 
Styria 2006, ISBN 3-222-13192-9

Text: Josef Wallner

Fotos: Norbert Eisner