Am Sonntag war es für mich so weit: Der Diener zweier Herren von Peter Turrini nach Goldoni stand auf dem Programm.
Dunkle Wolken in Wien, dann Sonnenschein. Wird das Wetter halten, war die große Frage, die sich mir stellte. Bei Wiener Sonnenschein fuhr ich los und je näher ich Kobersdorf kam, um so dunkler wurden die Wolken. Es regnete. Porca miseria. Sollte mir mein erster Turrini durch die Lappen gehen?
Doch der Regen hörte auf, ich konnte mir noch ausgezeichnete Pusztawürstel im Schlossgraben vor der Vorstellung genehmigen, die kleine Kunstausstellung anschauen und schon begann das Stück.
Das mich sofort begeisterte. Allein das wunderschöne Bild des Einzugs der Karnevalgesellschaft und die tolle Stimme von Lucija Varsic wird mir wahrscheinlich ewig im Gedächtnis bleiben. Leider musste ich feststellen, dass noch einige Italienisch-Einheiten notwendig sein werden, um alles zu verstehen, aber das sollte auch ein Ansporn sein. Auch die Kostüme von Gerti Rindler-Schantl fand ich dieses Mal wunderschön.
Doch nun zum Stück: Da wäre der Transportunternehmer Pantalone alias Sansuga Sacchi (Intendant Wolfgang Böck), der gerade mit seinem Anwalt, alias Dr. Valentino Vendramin (Marcus Thill) Karneval feiert und dabei die Verlobung seiner Tochter Clara (Ida Golda) mit dem Sohn des Dottore, Silvio Vendramin (Lukas Haas) feiert.
Doch diese Feier wird durch Beatrice Rasponi (Ines Schiller) unterbrochen, die vorgibt Federigo Rasponi zu sein, der Inhaber des Handelshauses Rasponi. Diesem schuldet Sacchi nicht nur 5 Millionen, sondern auch die Hand seiner Tochter. Federigo alias Beatrice ist nun gekommen, um die Bezahlung der Schuld einzufordern. Clara und Silvio sind entsetzt, Pantalone und der Dottore hegen noch Zweifel an der Person des Federigo. Immerhin wurde kolportiert, dass dieser vor drei Monaten ermordet wurde.
In der Zwischenzeit hat der junge Arlecchino alias Radames Ruccola Collisco (Nico Dorigatti) – ein sehr hungriger Kriegsheimkehrer – vom alten Arlecchino (Hubsi Kramer) nicht nur das Kostüm übernommen, sondern auch ein paar gute Tipps erhalten. Unter anderem, dass man zugreifen muss, wenn einem etwas angeboten wird.
Und das tut er: als Beatrice auf der Suche nach einen Diener ist, ist er – mit der Aussicht auf Essen und Trinken – gleich mit dem Engagement einverstanden. Doch die Bezahlung (sprich Essen und Trinken) lässt auf sich warten. Daher nimmt er auch ohne langes Zögern das Arbeitsangebot von Florindo Aretusi, einem engen Mitarbeiter von Federigo/Beatrice an, ihm ebenfalls dienlich zu sein. Dieser ist mit Beatrice verabredet und nun ebenfalls beim Karneval eingetroffen.
Doch auch hier gibt es viele Aufträge und keinen Lohn.
Inzwischen überlegt Pantalone, wie er sich aus dieser Geschichte möglichst gewinnbringend herauswinden könnte. Ohne zu Zögern stimmt er zu, die Verlobung seiner Tochter mit Silvio zu lösen und beauftragt sie auch, festzustellen, ob Federigo wirklich ein Mann ist. Als ein Chinese auftaucht und ihn bittet ihn nach seinem Tod in seine Heimat zurückzubringen, erinnert er sich an die Kühlanlagen des Handelshauses Rasponi – ein gemeinsames, gewinnbringendes Geschäft könnte die Lösung sein.
Man vereinbart, sich zu Verhandlungen beim Wirten Brighella (Thomas Kamper) zu treffen. In diesem Haus ist auch Florindo abgestiegen und jetzt wird es für den Diener zweier Herren in Ausübung seiner Tätigkeiten eng – er soll beiden Herren die Speisen servieren.
Noch immer hungrig, kann er auch nicht den Köstlichkeiten widerstehen, die er servieren soll, was umgekehrt wieder zu Reklamationen der Gäste beim Wirten führt.
In der Zwischenzeit haben sich die Sacchi und Rasponi auf eine neue Zusammenarbeit geeinigt. Die verstorbenen Chinesen sollen in den Kühllagern von Rasponi untergebracht werden, der Anwalt wird engagiert, um gegen gute Prozente die Verträge aufzusetzen und verzeiht daher die kurzfristige Verlobung von Clara mit Federigo, die nun wieder mit ihrem Silvio zusammen sein darf.
Radames, der junge Arlecchino, muss zugeben bei beiden „Herren“ den Diener gespielt zu haben. Er macht sich mit Smeraldina auf in eine neue Freiheit, in der er nicht mehr Arlecchino, sondern wieder Radames Ruccola Colliusco sein will.
Es ist nicht unbedingt ein leichtes Stück, sondern sehr kritisch, sehr realitätsbezogen und hält auch der heutigen Gesellschaft den Spiegel vor das Gesicht. Konsum, Macht, Geld und die Gier danach werden deutlich angeprangert, auch wie schnell man des Geschäftes willen, seine Positionen, Ideale oder Mitmenschen wie auch einem Schachbrett hin und her schieben kann. Das Stück lädt jedenfalls zum Nachdenken ein – aber Wolfgang Böck und sein Ensemble sorgen auch dafür, dass das Lachen nicht zu kurz kommt.
Der Hausherr Wolfgang Böck ist wieder einmal ein hervorragend grantelnder Bösewicht, der sich nicht um das Glück seiner Tochter, sondern nur um sein Geld kümmert. Marcus Thill als Dottore steht im aber in der Korruptheit kaum nach, Hauptsache die Beteiligungsprozente stimmen. Ida Golda und Lukas Haas geben ein himmlisch unselbständiges Liebespaar, das sich sogar noch die Nase von ihren Vätern putzen lässt, Ines Schiller ist ein überzeugender Federigo und Daniel Brockhaus nicht nur als Mörder, sondern auch als verkleidete Dame überzeugend. Wunderbar auch Thomas Kamper als Wirt und Andrea Köhler als seine Magd. Hubsi Kramer berührt nicht nur in seinen Auftritten als Tod, sondern vor allem als alter Arlecchino. Und Nico Dorigatti ist der quirligste, hungrigste, verzagteste Arlecchino, den man sich vorstellen kann. Unglaublich wie er über die Bühne wirbelt.
Dazu eine tolle Bühne und Lichtregie und die tollsten Kostüme für den Karnevalzug.
Es war wieder ein wunderbarer Theaterabend in Kobersdorf. Da kann man sogar bei einem Regenguss im zweiten Teil ohne Probleme ausharren. Eine würdige Hommage an Peter Turrini zu seinem 80. Geburtstag dieses Jahres. Ich denke, es wird auch ihm gefallen haben.
Gespielt wird noch jeweils Donnerstag bis Sonntag bis zum 28.7.2024. Eine Zusatzvorstellung gibt es dann noch am 2.8.2024.
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