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Tschechien ist reich an Jugendstil-Villen mit wunderschöner Ausstattung. Klimt, Hoffmann, Loos hatten hier etliche Auftraggeber.

Ein wunderschönes Beispiel ist die Villa Primavesi in Olmütz, die ihr bei eurem Besuch in der Stadt keinesfalls verpassen solltet. Auch die Geschichte der Familie ist interessant.

Die Familie Primavesi

Es war eine reiche Familie, deren „Urahnen“ nach 1748 von der norditalienischen Lombardei nach Olmütz zogen. Waren sie in Italien noch mit der Herstellung von Leinen und Seiden beschäftigt, stiegen sie in Olmütz ins Bankgeschäft ein. Sie besaßen schließlich mehrere Häuser am Marktplatz, die sie zwischen 1912 und 1913 nach einem Entwurf von Josef Hoffmann umbauen ließen. In diesen Häusern lebten sie und betrieben ihr Bankinstitut.

Blick auf die Vila Primavesi in Olmütz
Blick auf die Vila Primavesi in Olmütz

1868 wurde Otto Primavesi geboren, der in Wien die Schauspielerin Eugenia Butschek kennenlernte, sich in sie verliebte und sie schließlich heiratete. Eugenia Butschek war am Burgtheater engagiert, die Familie von Otto nicht sehr begeistert über diese Heirat.

Die Eingangstreppe mit Mosaik
Die Eingangstreppe mit Mosaik

Otto und vor allem Eugenie unterstützten sehr die Wiener Werkstätten um Joseph Hoffmann. Zuerst durch den Ankauf von Kunstwerken, dann traten sie auch als Mehrheitsaktionäre in die Wiener Werkstätten ein. 

Bei der Führung in der Vila Primavesi
Bei der Führung in der Vila Primavesi

1918 verlor die tschechische Krone da 11-fache ihres Wertes, auch das war ein Grund für den Zusammenbruch der Bank der Familie. Sie verkaufen ihre Grundstücke in Mähren und die meisten Mitglieder übersiedelten nach Wien. 

Otto und Eugenie Primavesi
Otto und Eugenie Primavesi

Die Wiener Werkstätte werden finanziell immer mehr ein Fass ohne Boden. Die Zeiten waren unruhig, immer weniger Menschen hatten Geld um sich die „schönen Dinge“ des Lebens zu leisten und Produkte der Wiener Werkstätten waren zwar exzellent ausgeführt und edel, aber auch sehr teuer. Nach Unstimmigkeiten zwischen Otto und Eugenie überträgt Otto 1925 die Werkstätten an seine Frau, tritt aus dem Vorstand zurück und lässt sich scheiden. Ein Jahr darauf erleidet er einen Herzinfarkt und begeht im Krankenhaus Selbstmord. 

Blick auf den Park
Blick auf den Park

Eugenie versucht die Wiener Werkstätten weiterzuführen, kann aber ihren Konkurs 1932 nicht verhindern. Sie stirbt 1967 in Österreich. Ihre Tochter Mäde Primavesi wandert nach Kanada aus und stirbt mit 97 Jahren. Sie spendete den Großteil ihres Geldes nach dem Krieg an ein Waisenhaus für kranke Kinder, das sie selbst gründete und auch betrieb.

Eingang zum Café in der Vila Primavesi
Eingang zum Café in der Vila Primavesi

Allen, die mehr über diese faszinierende Familie erfahren möchten, lege ich das Buch von Margret Greiner Mäda & Mäda ans Herz. Es ist spannend geschrieben und beleuchtet neben der Familiengeschichte auch die damalige Zeit.

Blick zur Galerie
Blick zur Galerie

Doch zurück zu den glanzvolleren Zeiten in denen die Villa (und auch ein Ferienhaus im Altvatergebirge) errichtet wurde. Damals gingen hier Joseph Hoffmann ein und aus, auch Gustav Klimt besuchte die Familie immer wieder und auch Anton Hanak, vielleicht der wichtigste Freund der Familie schuf viele Kunstobjekte für den Garten wie auch für den Innenbereich.

Die Villa

Es sollte ein Haus für Kunstliebhaber werden. Ein Haus als Kunstwerk, das dazu dient, andere Kunstwerke darin zu sammeln. Gut, dass man Freunde in der Szene hatte und so wurde vom Wiener Architekten Franz Kraus und seinem Mitarbeiter Josef Tölk anstelle des alten Renaissancegebäudes des Olmützer Krankenhauses die Jugendstil-Villa gebaut. 

Blick zur Vila Primavesi
Blick zur Vila Primavesi

Das hohe Mansardendach und die Rundbogenfenster sollten die Villa besser in die barocke Umgebung des Jesuitenklosters und der Barockkirche St. Michael integrieren.

Die große Halle

Wer ins Innere des Hauses kommt, betritt die große Halle, die sich bis in den ersten Stock erstreckt, ein typisches Zeichen englischer Architektur, sie ist das Herz des Hauses, hier spielte sich das Familienleben, aber auch die gesellschaftlichen Events ab. Auch heute steht man beeindruckt im großen Raum, der nun für Hochzeiten gemietet werden kann.

Allein das Glasbild, das Olmütz zeigt, ist beeindruckend
Allein das Glasbild, das Olmütz zeigt, ist beeindruckend

Wir hatten Glück die Villa noch vor einer Hochzeit besuchen zu dürfen. Doch das meiste war bereits dekoriert und aufgebaut. Ein wirklich schöner Platz zum Heiraten. Auch die Tafel im Speisezimmer war – ebenso wie der Raum – beeindruckend.

Für die Trauung ist alles bereit
Für die Trauung ist alles bereit

Auf jeden Fall sollte man aber auch das Glasfenster beachten und immer wieder den Ausblick in den Garten (und darüber hinaus) wahrnehmen. Wir waren im Winter in der Villa zu Gast – draußen war es ein bisschen verschneit und ein bisschen „gatschig“. Ab dem Frühling muss es hier allerdings traumhaft sein. Das zwölfteilige Glasfenster zeigt ein Panorama der Stadt Olmütz nach einem Holzschnitt von 1706.

Ein weiterer Blickfang in der Halle
Ein weiterer Blickfang in der Halle

Beachtenswert ist auch die Treppe, die von den Wiener Werkstätten stammt und per Güterzug nach Olmütz geliefert wurde, die Sitzgelegenheit unter ihr verspricht traute Gemeinsamkeit.

Das lauschige Plätzchen unter der Treppe
Das lauschige Plätzchen unter der Treppe

Sehenswert ist auch der, von Anton Hanak entworfene, Kamin aus 1906 mit seiner Inschrift „Das Leben geht immer vorwärts, niemals zurück“. Der Spruch versinnbildlicht die Idee von Rennie Mackintosh, dem Ideengeber der „Kunsthäuser“: Dort ist die Vergangenheit, hier ist die Gegenwart mit einigen Verweisen auf die Zukunft.

Der Speisesaal

Der Raum wurde zwischen 1912 und 1913 von Anton Hanak eingerichtet. Im Zuge von Streitigkeiten musste der Tisch in drei Teile zerlegt werden, um ihn aus dem Raum zu transportieren. Ursprünglich waren 14 Plätze und damit auch Stühle um den Tisch vorgesehen. 12 wurden vom Kunstmuseum Olmütz zurückgegeben, 2 davon blieben im Depot des Museums. 

Die Hochzeitstafel ist bereits gedeckt
Die Hochzeitstafel ist bereits gedeckt

Ein Tisch in der Nische diente als Esstisch für die Kinder. Hier speiste nicht nur die Familie, sondern auch Anton Hanak, Joseph Hoffmann, Gustav Klimt mit Emilie Flöge und genossen Rindfleisch, frisches Gemüse, Quellwasser und Wein bei ihren Besuchen.

Der Kindertisch im Speisezimmer
Der Kindertisch im Speisezimmer

Teile der Einrichtung und der Wandverkleidung sind Original, Teile nachgebaut.

Der Wintergarten

In der Zeit der Primavesis war dies eine teilweise verglaste Loggia, zu Zeiten des Sanatoriums ein Turnraum. Die Fotografien an den Wänden zeigen Kunstwerke von Anton Hanak, die er für den Außenbereich der Villa geschaffen hatte.

Der Ponocný beschützte das Haus
Der Ponocný beschützte das Haus

Interessant ist hier vor allem der Ponocný, eine Holzstatue aus dem Jahre 1907. Diese war 175 cm groß und wurde in einer Nische auf einem Türmchen an der Nordseite des Hauses aufgestellt und galt als Beschützer des Hauses und seiner Familie. 1955 verschwand er aus der Villa und wurde im Depot de Kunstmuseums von Olmütz wieder gefunden. Seit 2021 steht auf dem Turm eine Eichenholzkopie des Schnitzers Petr Steffan.

Im Wintergarten der Villa
Im Wintergarten der Villa

Vom Fenster aus blickt man auf den Schlossturm von Michael, der der Familie als Sommerpavillon diente und dessen geschnitzte Decke von Dušan  Jurkovič entworfen wurde.

Das Zimmer des Hausherrn

Das „schwarze Zimmer“ von Otto Primavesi gilt als verschollen und konnte bis jetzt nicht mehr wieder gefunden werden. Es existieren nur Aufnahmen davon.

Bei der Führung in der Vila Primavesi
Bei der Führung in der Vila Primavesi

Es bestand aus einem schwarzen Bücherregal der Wiener Werkstätten, Sesseln, Tisch, Stühle, Sekretär, Schreibtisch. An den Wänden hängen Kopien der Bilder von Klimt.

Die Galerie

Ursprünglich konnte man von hier aus auf die Terrasse und in den Garten. In den 1930er Jahren wurden allerding die Doppeltüren zur Abtrennung geschaffen und die Räume privat vom Leiter des Sanatoriums genutzt. 1950 war es ein Warteraum mit Sprechzimmern auf beiden Seiten.

Gustav Klimt in der "Galerie"
Gustav Klimt in der "Galerie"

Die Porträts auf beiden Seiten sind vom deutschen Künstler William Unger, die Skulptur von Gustav Klimt mit Katze stammt von Bildhauer Peter Steffan, der sie nach einer Schwarz-Weiß Fotografie anfertigte.

Das Zimmer der Dame

Die Einrichtung des Zimmers von Eugenie Primavesi fertigten die Wiener Werkstätten nach Entwürfen von Joseph Hoffmann und wurden in den 1950er Jahren in das Schloss von Úsov gebracht.

Das Bildnis der früheren Hausherrin Eugenie Primavesi
Das Bildnis der früheren Hausherrin Eugenie Primavesi - gemalt von Gustav Klimt (hier eine Kopie)

Die derzeitige Einrichtung stammt aus dem Heimatmuseum in Olmütz und wurde so aufgestellt wie von Eugenie Primavesi genutzt. Dieses Zimmer gewährt auch Zugang zum Nebenraum, der als Krankenzimmer benutzt wurde. Wenn ein Familienmitglied oder ein Gast krank wurde, stand ihm damit ein eigenes Zimmer mit Bad zur Verfügung. Heute ist dieses Zimmer mit Jugendstilmöbel ausgestattet und wird als Erlebniswohnung in einer Jugendstilvilla vermietet. Es hat einen separaten Eingang vom Hof und eigene sanitäre Anlagen.

Das Bildnis der Tochter, ebenfalls eine Kopie des Bildes von Klimt
Das Bildnis der Tochter, ebenfalls eine Kopie des Bildes von Klimt

Im Zimmer der Dame hängen auch Kopien der beiden berühmten Bilder von Gustav Klimt: von Mutter und Tochter.

Verzierung von Anton Hanak
Verzierung von Anton Hanak

Die Villa wurde jedenfalls zum gesellschaftlichen Mittelpunkt von Olmütz. Wie schon erwähnt gingen hier wichtige Persönlichkeiten und Künstler von Rang ein und aus.

Das Mosaik am Eingang
Das Mosaik am Eingang

Einer der wichtigsten davon war Anton Hanak, der für die Familie unter anderem das Mobiliar im Speisesaal entwarf und auch Mitautors des Mosaik war, das an den Wänden und der Decke der Haustreppe angebracht ist. 

Blick in der Garten der Vila Primavesi
Der Garten der Vila Primavesi

Gustav Klimt war wohl einer der berühmtesten Gäste der Familie und er verbrachte die letzten beiden Silvester seines Lebens hier mit der Familie. Die Familie besaß mit insgesamt 17 Bildern von Klimt, die weltweit größte Sammlung des Künstlers. Darunter auch ein Porträt der Tochter der Hausherrin als Kind. Dieses Bild gilt als einziges Porträt eines Kindes, das Klimt je malte. Natürlich wurde auch die Hausherrin porträtiert. 

Blick in den Garten zum Michaelsturm
Blick in den Garten zum Michaelsturm

Allerdings sind die Klimtbilder heute in alle Herrenländer – und Museen – zerstreut. In der Villa kann man daher nur Kopien sehen.

12 Jahre lang lebten die Primavesis in ihrem Kunsthaus. Nach dem Ende der Monarchie und der Gründung der Tschechoslowakischen Republik wurde ihre finanzielle Lage allerdings immer dramatischer. Sie waren „Deutsche“, sprachen deutsch, Otto war als Vertreter der deutschen Partei im Olmützer Stadtrat und „Deutsche“ wurden im neuen Staat nicht mehr so gerne gesehen.

In der Galerie des ehemaligen Wartezimmers
In der Galerie des ehemaligen Wartezimmers

Die Primavesis übersiedelten daher nach Wien und begannen ihre Besitztümer in Mähren zu verkaufen. Nun wechselten die Besitzer – zuerst kam die Villa in den Besitz der Aktionärsraffinerie der bäuerlichen Zuckermühlen, schließlich wurde sie wieder verkauft und zu einem privaten Sanatorium umgebaut und im Laufe der Zeit verstaatlicht.

Der Michaelsturm
Der Michaelsturm

In den 1980er Jahren begannen Überlegungen, die Villa wieder in ihrem ursprünglichen Zustand vor dem Umbau zum Sanatorium zurückzuversetzen. Eine Gesellschaft wurde dafür gegründet und man begann mit den Umbauarbeiten – doch die Firma schlitterte in die Insolvenz. Auch die nächste Firma konnte ihre Arbeiten aus finanziellen Gründen nicht vollenden. Die Villa blieb nach dem Ende ungesichert zurück, wurde ausgeraubt, das Mobiliar verschwand zitnían einen unbekannten Ort.

Die Hochzeitstafel im Speisezimmer der Vila Primavesi
Die Hochzeitstafel im Speisezimmer der Vila Primavesi

Seit 1992 gehört die Villa der Enkelin von Dr. Pospíšil, dem letzten Arzt, der die Villa noch als Sanatorium betrieb. Sie setzt – mit Unterstützung der Stadt Olmütz – nun ihr Privatvermögen ein, um die Villa Stück für Stück so weit wie möglich in den ursprünglichen Zustand zu versetzen. Um Einnahmen zu erzielen, wurde die Villa daher für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht und kann auch für besondere Events, wie eben Hochzeiten, gemietet werden.

Blick in die Galerie
Blick in die Galerie

Die Villa kann nur im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Diese werden in Tschechisch abgehalten, es gibt aber englische und deutsche Texte sowie einen Audioguide. Nähere Informationen findet ihr auf der Website (https://www.vilaprimavesi.cz) oder im Tourismusbüro von Olmütz, 779 00 Olomouc 9, Horní nám. 583 (im Rathaus), Tel: +420 585 513 385.

Im Café in der Vila Primavesi
Im Café in der Vila Primavesi

In der Villa, mit Blick in den Park, befindet sich auch ein kleines Café, das mit gutem Espresso un süßen Köstlichkeiten nicht nur müden Touristen ein Platzerl zum Erholen bietet. Um es zu finden muss man allerdings durch den Garten der Villa an die Rückseite des Hauses gehen.

Vila Primavesi
Vila Primavesi

Villa Primavesi
779 00 Olomouc, Univerzitní 224/7
Tel: +420 775 858 562
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AutorIn des Artikels:

Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?