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Vom 3.-7. September 2025 findet wieder das Ars Electronica Festival in Linz statt

Es ist schon Jahrzehnte her, dass ich das Ars Electronica Center in Linz besucht habe. Tja und auch das Festival und die Linzer Klangwolke stehen seit Jahren auf meiner todo-Liste.

Blick zum Eingang des Lentos Kunstmuseum in Linz
Blick zum Eingang des Lentos Kunstmuseum in Linz

Heuer habe ich zumindest die Ausstellung über die Preise der Ars Electronica im Lentos Kunstmuseum geschafft – und war wieder einmal restlos begeistert. Vielleicht fahre ich doch noch einmal in der nächsten Woche nach Linz …

Prix Ars Electronica Ausstellung

Zur gleichen Zeit wie das Festival präsentiert das Lentos Kunstmuseum die herausragenden Medienkunstprojekte die 2025 beim Prix Ars Electronica eingereicht und ausgezeichnet wurden.

Panic yes/no im Lentos
Panic yes/no im Lentos

Unter dem Thema „Panic yes/no“ widmet sich das Festival angesichts der globalen Krisen und der wachsenden Unsicherheit der Rolle der Kunst in Zeiten großen Wandels und gibt damit Raum für Reflexion und Diskussion, wird zur Inspirationsquelle für alternative Narrative und zum Katalysator für Veränderung.

Gerfried Stocker, Künstlerischer Leiter Ars Electronica, Foto © vog.photo
Gerfried Stocker, Künstlerischer Leiter Ars Electronica, Foto © vog.photo

In Zeiten wie diesen ist es wirklich ermutigend junge Künstler und ihre Sicht auf die Welt, die Gegenwart und die Vergangenheit kennenzulernen.

Die Führung durch die Ausstellung beginnt bereits im Freien
Die Führung durch die Ausstellung beginnt bereits im Freien

Die elf Siegerprojekte der Medienkunst, die im Lentos und im Mariendom (mit Performances) ausgestellt sind, laden zum Nachdenken ein, zum Stillstehen und zum Bewundern, zum in sich hineinhören, aber auch zum nach vorne blicken ein und machen klar wie wichtig es heutzutage ist couragiert Position zu beziehen.

Die Kataloge der Ars Electronica
Die Kataloge des  Ars Electronica Festivals

Für mich war es wert, allein für diese Ausstellung nach Linz zu fahren, wenn gleich mein Plan ursprünglich war, auch wieder einmal das Ars Electronica Center zu besuchen. Ein frühzeitiger Blick auf die Website hätte genügt, um schon die Tage vorher zu wissen, dass dieses am Montag immer geschlossen ist. Aber egal. Fehler sind da um sie zu machen. Ich werde wieder nach Linz kommen.

Hier möchte ich euch aber ein paar der Highlights der Ausstellung vorstellen.

Beginnen wir gleich mit demjenigen, das mich aus verschiedenen Gründen am allermeisten beeindruckt hat.

Requiem for an Exit von Frode Oldereid (NO) und Thomas Kvam (NO)

In einem dunklen Raum erzählt ein fast menschlich wirkender übergroßer Kopf ruhig die Verfehlungen der Menschheitsgeschichte auf: Er spannt den Bogen von frühen Feldzügen über koloniale Massaker und systematische Auslöschungen hin bis zu Belagerung und Vertreibungen in der Gegenwart.

Ein Kopf beginnt zu sprechen
Ein Kopf beginnt zu spechen

Das „Requiem“ gilt weder der Maschine noch den Toten, sondern den Mythen, an die wir weiterhin glauben: dass Fortschritt Erlösung bringt, dass Intelligenz Ethik garantiert und Technologie uns retten kann.

Requiem for an Exit von Frode Oldereid (NO) und Thomas Kvam (NO)
Requiem for an Exit von Frode Oldereid (NO) und Thomas Kvam (NO)

Während er spricht, fährt der Roboterkopf nach oben oder hinunter, legt den Kopf schief, rollt mit den Augen, scheint freundlich zu lächeln oder wütend zu sein. Der Gesichtsausdruck scheint so echt zu sein, die Musik, die seine Rede begleitet unterstreicht seine Rede. Es ist wie eine Anklage, der man sich am liebsten möglichst schnell entziehen möchte und es doch nicht kann. Ich bin wie angewurzelt bis zum Ende der Rede stehengeblieben und noch darüber hinaus.

Mineral Amnesia von Iona Vreme Moser (RO)

Dieses Projekt erinnerte mich wieder an meine „Speicher-Vergangenheit“ bei BASF und EMTEC. Mit Mineral Amnesia zeichnet Ioana Vreme Moser akustisch die Entwicklung und den Zerfall der ersten Computer-Speicherchips nach, deren Datenspeicher gelöscht und neu programmiert werden konnte. Unter Quarzfenstern aus reinem Kristall eingeschlossen, verlieren die sogenannten Eproms gespeicherte Informationen, sobald sie dem Licht ausgesetzt werden.

Mineral Amnesia von Iona Vreme Moser (RO)Mineral Amnesia von Iona Vreme Moser (RO)
Mineral Amnesia von Iona Vreme Moser (RO)

Geschichten verschiedener Generationen wurden nun auf diesen Speicherchips gespeichert. Die älteste aus 1975, die jüngste von 2005. Wenn nun künstliches Licht auf einen Chip trifft, wird er gelesen, gleichzeitig wird diese Stelle aber auch gelöscht und während am Anfang noch Teile der Aufnahmen klar und verständlich zu hören sind, werden im Laufe der Zeit die Erzählungen immer unklarer, knacksender, bis die Geschichten schließlich ganz verstummen.

Mineral Amnesia von Iona Vreme Moser (RO)
Mineral Amnesia von Iona Vreme Moser (RO)

Die Erinnerungen, die Erzählungen sind verloren., die Maschinen haben sie vergessen.
Was nun passiert mit unseren Geschichten? Unseren Bildern? Allein wenn ich die Geschichte der Speicherung von Daten meiner Generation hernehmen – von den Audio- über die Videocassetten, Schallplatten, Minidisc, DAT, Disketten, Speichersticks, CD, DVD, BlueRay bis zu Festplatten, SSD und nun Cloudspeicherung – wie oft haben wir schon unsere Bilder und Musik, unsere Erinnerungen umgespeichert oder aber auch verloren …
https://www.ioanavrememoser.com/mineral-amnesia

Bora: Bora von Zhao Zhou (NL)

Bereits vor dem Lentos kann man die erste Installation entdecken: Bora: Bora lädt ein, die Sinne jenseits des Sehens mithilfe von Luftbewegungen und niederfrequenten Klanglandschaften neu zu entdecken. 96 modifizierte Subwoofer entlang eines offenen Tunnels aus Aluminium sorgen für ein immersives Klangerlebnis, sobald jemand durch den Tunnel schreitet.

Bora: Bora / Zhao Zhou (NL), Foto © Riccardo De Vecchi
Bora: Bora / Zhao Zhou (NL), Foto © Riccardo De Vecchi

Die Lautsprecher, die in transparenten, kegelförmigen Gehäuse stecken, erzeugen kontinuierliche Luftwirbel und damit tieffrequente Klänge einer Klanglandschaft, die sich auf hohe und niedrige Frequenzen beschränkt. Allerdings bleibt unklar, wo der nächste Luftwirbel auftaucht.

Bora: Bora / Zhao Zhou (NL)
Bora: Bora / Zhao Zhou (NL)

Einfach ausprobieren – hindurchgehen, die Töne anhören und versuchen die Luftwirbel zu erspüren.
zhao-zhou.com/

Guanaquerx von Paula Gaetano Adi (AR/US)

Ein Lama- oder Alpaka-Roboter, war mein erster Gedanke. Und ja, das „Tier“ kann sich bewegen und hatte auch schon eine lange Wanderung hinter sich – wie der dazugehörige Film bewies.

Guanaquerx von Paula Gaetano Adi (AR/US)
Guanaquerx von Paula Gaetano Adi (AR/US)

Guanaquerx wurde von einem transdisziplinären Team entwickelt, besteht aus Bambus und ist in traditionelle andine Stoffe gehüllt. Damit verbindet der Roboter indigenes Wissen mit der Technologie und steht für kollaborative, lokal verankerte Vision von Robotik und lädt dazu ein, sich eine technologische Revolution vorzustellen, die weder Menschen noch Natur ausbeutet und das unvollendete Projekt der Dekolonisierung aufgreift und Roboter als Mitstreiter für eine nachhaltige Zukunft begreift.

Blick auf die Andenüberquerung von Guanaquerx
Blick auf die Andenüberquerung von Guanaquerx

Das Projekt erinnert an das Jahr 1817, in dem 5.200 Frauen und Männer mit über 10.000 Maultieren und Pferden die Anden von Argentinien nach Chile überquerten, um die Befreiung Lateinamerikas vom spanischen Kolonialregime voranzutreiben. Auch der Roboter Guanaquerx wanderte sieben Tage gemeinsam mit KünstlerInnen, IngenieurInnen, MaultiertreiberInnen sowie 58 Maultieren und Pferden ebenfalls über die Anden um Robotik als Werkzeug der Befreiung neu zu denken.
guanaquerx.com

Otocyon Megalotis von evala (JP)

Ein dunkler Raum, eher noch eine dunkle Box und ein Sessel im Inneren. In diesem Setting werden einzigartige Klangräume entworfen und Wahrnehmungsgrenzen ausgelotet. Der Ausgangspunkt ist Otocyon Megalotis, eine dreidimensionale Soundinstallation, die BesucherInnen allein in dieser dunklen, schallisolierten Box erleben können.

Otocyon Megalotis / evala (JP) Foto: evala, © vog.photo
Otocyon Megalotis / evala (JP) Foto: evala, © vog.photo

Für die siebenminütige Klanglandschaft führte evala Feldaufnahmen in Kyotango durch, rekonstruierte ihre Echos und Schallreflexionen, nahm akustische Transformationen vor und erschuf so einen dynamischen Raum, der selbst zum Instrument wird. BesucherInnen sollen „mit den Ohren sehen“ und sich mit allen Sinnen auf das räumliche Sounddesign einlassen.
seebyyourears.jp/

Die weiteren Preisträger:

Organism + Excitable Chaos von Navid Navab (IR/CA) und Garnet Willis (CA)

Organism ist eine robitisch präparierte historische Pfeifenorgel, die bewusst so konstruiert wurde, dass Klänge ertönen, die zuvor jahrhundertelang unterdrückt wurden. In der Installation Organism + Exciteble Chaos steuert ein robotisch gelenktes dreifaches Pendel die aerodynamischen Schwellenwerte der Orgel – der schnelle Austausch von Lage- und Bewegungsenergie zwischen den drei Armen bringt kinetisches Chaos in einen Dialog mit klanglicher Turbulenz und sorgt für außergewöhnliche Sounderlebnisse.

Organismus: In Turbulenz / Navid Navab (IR/CA),Foto © Angelina Nikolayeva
Organismus: In Turbulenz / Navid Navab (IR/CA), Foto © Angelina Nikolayeva

Navid Navad performt an drei Terminen im Linzer Mariendom (3.9., und zweimal am 6.9.2025)
navidnavab.com/organism-in-turbulence
navidnavab.com/organism-excitable-chaos
garnetwillis.com

Ito Meikyū von Boris Labbé (FR)

Die VR-Installation ist inspiriert von klassischer Kunst, japanischer Literatur, persönlichen Begegnungen und den Reisen des Künstlers durch Japan. Dabei wird ein zentrales Motiv der traditionellen japanischen Malerei aufgegriffen: die Technik des „Fukinuki Yatai“, bei der das Innere eines Gebäudes aus der Vogelperspektive dargestellt wird.

Ito Meikyū, Foto © Sacrebleu Productions, Les Films Fauves, Parangon
Ito Meikyū, Foto © Sacrebleu Productions, Les Films Fauves, Parangon

Ito Meikyū lädt den Betrachter ein, in ein großes animiertes Fresko einzutauchen. Es präsentiert eine heterogene Sammlung von gezeichneten, animierten und vertonten Szenen, die dem digitalen Material entnommen sind.

XXX Machina von Erin Robinson (GB) und Antony Frisby (GB)

XXX Machina ist eine immersive, digitale Installation, die untersucht, wie Künstliche Intelligenz den menschlichen Zugang zu erotischem Begehren, Intimität und Identität ins Wanken bringt. Was zuerst wie konventionelle Pornografie wirkt, beginnt sich rasch aufzulösen: Körper werden verzerrt, fallen auseinander, setzen sich neu zusammen und lösen sich mehr und mehr von erkennbaren Körperformen.

Erin Robinson und Anthony Frisby,  Foto © vog.photo
XXX Machina von Erin Robinson und Anthony Frisby, Foto © vog.photo

XXX Machina stellt die Frage, was aus erotischem Verlangen wird, wenn das Gegenüber nur noch simuliert wird und seine individuelle Bedeutung verliert.
xxxmachina.com

Bla Blavatar vs Jaap Blonk von Jonathan Chaim Reus (US/NL)

Hier wird die Automatisierung kreativer Prozesse ad absurdum geführt und untersucht, wie die Erstellung von Datensätzen zu einem musikalischen und sozialen Akt werden kann. In live aufgeführten „Dataset-Making-Performances“ tritt der Lautpoet Jaap Blonk in ein Duell mit seinem KI-generierten Stimmklon, dem Bla Blavatar.

Bla Blavatar gegen Jaap Blonk (Foto © Ales Rosa)
Bla Blavatar gegen Jaap Blonk (Foto © Ales Rosa)

Das Werk lädt BesucherInnen ein, die unsichtbare Arbeit hinter KI-Stimmtechnologien zu reflektieren
jonathanreus.com/portfolio/bla-blavatar-vs-jaap-blonk/

From0 von Superbe (BE)

From0 ist eine interaktive Klang- und Bewegungsinstallation, die zur emotionalen und sensorischen Auseinandersetzung mit der musikalischen Ebene von Sprache einlädt.
superbe.be

Anatomy of Non-Fact von Martyna Marciniak (PL)

Chapter 1: AI Hyperrealism, Chapter 2: Tick, tick, tick … boom
Anatomy of Non-Fact ist ein mehrteiliges künstlerisches Forschungsprojekt, das die Mechanismen bildbasierter Desinformation untersucht und eine Reaktion auf die zunehmende Bedrohung dadurch. In der Ausstellung sind zwei Beispiele zu sehen:
Chapter 1: Hyperrealism zeigt den sogenannten „Fake-Balenciaga-Papst“, der während des KI-Booms 2023 große mediale Aufmerksamkeit erlangte.

Foto: Standbild aus dem Video, Mit freundlicher Genehmigung der Künstler
Foto: Standbild aus dem Video, Mit freundlicher Genehmigung der Künstler

Chapter 2: Tick, tick, tick …. Boom greift manipulierte Bilder der angeblicken „Explosion am Pentagon“ auf, die im Frühjahr 2023 kursierten und sofortigen Einfluss auf Aktienkurse und Kryptowährungen nahmen. Das Projekt regt dazu an, das seit Jahrhunderten bestehende Verhältnis von Bild und Wahrheit kritisch zu hinterfragen.
martyna.digital/

Das waren nun in Kürze alle Preisträger des Ars Electronic Festivals im Lentos. Während des Festivals gibt es aber noch viel viel mehr zu sehen, zu hören und auch zum Mitdiskutieren. Unter anderem die Themenausstellung „Panik: Komplex. Absurd. Ominös.“ Oder die S+T+ARTS-Ausstellung, beide in der Postcity in der Waldeggstraße 41.


Wenn ich euch mit meinen Bildern und Videos nun ein bisschen Gusto auf mehr gemacht habe, empfehle ich euch in die Welt des Ars Electronic Festivals einzutauchen. Das geht vorab am Besten über die Website https://ars.electronica.art/panic/en/

Aber lasst euch nicht zu lange Zeit. Leider ist es schon wieder bald vorüber …


Ars Electronica Festival
3.-7.9.2025
4020 Linz, an verschiedenen Orten
+43 732 7272-0
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