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Es ist schon einige Jahre her, seit ich den letzten Film von Wim Wenders gesehen habe. Was mir bis heute geblieben ist, ist das Staunen und die Sehnsucht und die Suche, die die Inhalte dieses bemerkenswerten deutschen Regisseurs in mir ausgelöst haben.  (Glück im Gleichmaß: Der Toilettenreiniger Hirayama - Koji Yakusho“- mit seiner Nichte, Foto © 2023, Master Mind Ltd)

Es ähnelt in gewisser Weise einer geliebten gern verspürten Sucht, die gepflegt sein will. Cineasten unter ask-enrico-Followern erinnern sich vielleicht noch an den „Buena Vista Social Club“, ausgezeichnet mit der „Goldenen Kamera“ im Jahr 2000 oder an die Oscar-nominierten Filme „Das Salz der Erde“ und „Pina“ 2015.

Und abends geht es auf die Reise mit William Faulkner
Und abends geht es auf die Reise mit William Faulkner

Mit „Perfect Days“ schlägt Wim Wenders nochmals eine neue Seite seines Könnens und seiner filmischen Passion auf. Sagen wir es so: Er schafft hier einen Film ohne Handlung und ohne Dialog, bar jeglicher „Action“ und bar jeglichen Dramas. Im Mittelpunkt steht der Toilettenreiniger Hirayama, gespielt vom japanischen Filmstar Koji Yakusho, der für die Reinigung von öffentlichen Toiletten im zentralen Tokioter Stadtteil Shibuya zuständig ist.

Putzen und schrubben als das Maß der alltäglichen Dinge
Putzen und schrubben als das Maß der alltäglichen Dinge

So fährt Hirayama in seinem Van, manchmal in Begleitung seines Assistenten, von Latrine zu Latrine und putzt und schrubbt tagaus tagein die Anlagen.  Ein sich wiederholender völlig unspektakulärer Alltag, eingebettet in die umgebende japanische Kultur und Natur, die dem Film einen gewissen zusätzlichen fremdländischen Reiz verleiht. Warum Tokio?  Ursprünglich war Deutschland als Drehort vorgesehen, doch die Filmförderung machte dafür kein Geld locker. Auch eine Banalität des Alltags.

Der Gleichmut der Askese

Die scheinbare Eintönigkeit  des Tuns wird aufgelockert  durch die Liebe des Protagonisten zu den Bäumen, die er fotografiert, und zu den Pflanzen, die er auch zu Hause in Blumentöpfen hegt und pflegt und täglich mit Waser besprüht. In seinen Fahrten mit seinem Van hört er Musik , die er liebt und die sein Herz erhellen und sein Gesicht zum Strahlen bringen. Es sind Klänge von Lou Reed, The Kinks – und auch  von Patti Smith. Nur einmal taucht seine Nichte auf, doch auch diese vermag seine Alltagsroutinen nicht zu unterbrechen.

Nach getaner Arbeit: Tief atmen und das Wasser spüren
Nach getaner Arbeit: Tief atmen und das Wasser spüren

Der Alltag und sein tägliches Tun in beständigem  Gleichmut und in einer unverrückbaren Gewissenhaftigkeit und  Freude begleiten das Leben von Hirayama. Vor dem Hintergrund der japanischen Kultur und ihrer unterschiedlichsten Lebensentwürfe  erscheint der Toilettenreiniger  wie ein moderner Asket, der die Macht und Kraft  der Gewohnheit zur Stärkung seines Seins und zum Sinn seines Lebens erkoren hat. Die Ingredienzien des Glücks sind die sogenannten „kleinen Dinge des Lebens“, denen Hirayama seine Aufmerksamkeit schenkt und die ihn auf seiner Lebensreise begleiten. Es ist eine Art von Frieden mit sich und der Welt, die bisher ungesehene Kostbarkeiten  vor unseren Augen enthüllt. Wenn wir sehen wollen. Es ist aber auch eine Anstrengung  ob der langen Lebenstrecke des Alltags dabei nicht in bedrängende Monotonie und verzweifelte Stumpfheit zu verfallen.

Der Friede spiegelt sich im Licht und im Schatten des Gesichts von Hirayama
Der Friede spiegelt sich im Licht und im Schatten des Gesichts von Hirayama

„Perfect Days“ ist ein meditativer Film mit Blick auf den Alltag und die Routinen des Lebens. Gönnen sie sich eine entspannte Zeit mit Wim Wenders und seinem Hirayama, der mit Sanftheit und Bestimmtheit jenseits aller Worte sein Verständnis von persönlichem Glück, Einfachheit und Frieden auf dieser Reise des Lebens zelebriert. Der Job als Toilettenputzer ist auch gleichsam ein  Synonym für alles, was den Menschen möglich erscheint und was er auch in jeder anderen Maske erreichen kann.

Regie: Wim Wenders; Drehbuch: Takuma Takasaki, WimWenders; DarstellerInnen: Koji Yakusho, Yumi Aso, Tokio Emoto, Sayuri Ishikawa; Kamera: Franz Lustig; Produktion: Wim Wenders, Takuma Takasaki, Koji Yanai; Schnitt: Toni Froschhammer 

Alle Fotos: Perfect Days © Mastermind Ltd.

 

 

 


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