Mit Ödön von Horvaths Geschichten aus dem Wiener Wald geht – laut Intendant Wolfgang Böck – die Serie der österreichischen Dichter in Kobersdorf zu Ende.
In den Corona Jahren hatte man über die abgelaufenen Spielzeiten reflektiert und bemerkt, dass man den „Österreichern“ eigentlich wenig Platz im Spielplan eingeräumt hatte. So entstand die Serie mit „Der Bockerer, Alpenkönig und Menschenfeind, Der Diener zweier Herren“ und nun zum Abschluss „Geschichten aus dem Wiener Wald“. Nicht immer die ganz leichte Kost für ein Sommerpublikum, das oft „nur“ unterhalten werden will.

Das Team rund um Intendant Wolfgang Böck verstand und versteht es jedoch meisterhaft, die oft tragischen Geschichten mit ein wenig Humor zu verbinden. Auch oder obwohl dem Zuschauer manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt oder zumindest stecken bleiben sollte. So auch heuer wieder …

Der Wettergott zeigte sich mit Kobersdorf wieder einmal besonders gnädig. Kurz vor meiner Abfahrt von Wien schüttete es noch einmal als letzten Gruß. Auf der Fahrt ins – meist sonnige – Burgenland gab es noch einige Tropfen und die Lacken auf und neben der Straße zeigten, dass es hier schon gehörig geschüttet hatte. Doch mit 18:30 Uhr öffneten die Abendkassa und das Schloss seine Pforten und es war – fast wieder – Sommerwetter.

Ich komme gerne immer etwas früher nach Kobersdorf. Erstens findet man dann gleich seinen Parkplatz in der Nähe. Zweitens kann man noch die neu renovierte Synagoge vis à vis vom Schloss besichtigen und sich hier heuer eine wirklich berührende Ausstellung über jüdische Schicksale an der Grenze ansehen.

Achtung: Es gibt viel zu lesen, aber dieses Projekt, das von Schülerinnen und Schülern durchgeführt wurde, die die Lebensläufe unterschiedlicher Menschen der Umgebung beschreiben, ist es wert. Jeder Buchstabe und jede Zeile. Und doch sind diese Schicksale fast unbeschreiblich.

Drittens geht es dann für mich immer in den Schlossgraben, wo es köstliche Grammelpogatschen gibt. Diese burgenländische/ungarische Spezialität und ein Glas Wein dazu ist einfach herrlich, um sich bei lauer Sommerluft auf einen schönen Theaterabend einzustimmen.

Wenn dann noch Zeit für ein Tratscherl mit lieben Freunden bleibt, um so besser.
Aber auch der jährliche Besuch der Ausstellung im Schloss ist für mich jedes Jahr Pflicht. Heuer konnte ich dort leider einer kleinen Keramik und einem Silberring mit Bernstein nicht widerstehen.
Dann ist es so weit. Der „Saal“ wird geöffnet und das Publikum strömt in Erwartung herein, die auch heuer wieder nicht enttäuscht wurden. Nun ja eine ganz so laue Sommernacht war es nicht, wie auch Intendant in seiner Begrüßungsrede betonte:
Auch diese Nähe zum Intendanten gefällt mir jedes Jahr aufs Neue: Böck begrüßt nicht nur auf der Bühne sein Publikum, er ist ein Intendant zum „Angreifen“ und ist jedes Mal auch vor der Vorstellung im Schlossgraben unterwegs, um möglichst viele Zuschauer persönlich zu begrüßen.
Dann beginnt das Spiel. Obwohl ich bei der Präsentation des Bühnenbildentwurfs in Eisenstadt dabei war, konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen, wie das alles funktionieren könnte.

Auch mein erster Blick zur Bühne war eher enttäuscht: Kahl sah sie irgendwie aus. Wie um alles in der Welt, sollten die verschiedenen Handlungsplätze des Stücks ohne große Umbauten bewerkstelligt werden. Aber Bühnenbilder Erich Uiberlacker ist ein Zauberkünstler: Die Bühne funktioniert, wird lebendig und schafft spielend einen Übergang von der Wachau in die Stille Gasse oder ins Nachlokal. Sehenswert.

Auch das Schauspielensemble rund um Intendant und Zauberkönig Wolfgang Böck ist – ebenso wie er – wieder sehr spielfreudig aufgelegt. Wolfgang Böck ist als Zauberkönig stolzer, aber auch mitleidsloser und grausamer Vater von Marianne zugleich. Doch als er – durch die Vermittlung der Trafikantin Valerie – sich wieder zu seiner verstoßenen Tochter bekennt, ist es zu spät. Der Großvater kann sein Enkelkind nicht mehr in die Arme schließen – es ist verstorben.

Alexandra Hilverth gibt die verständnisvolle Mutter des Hallodri Alfred, die sich aber gegen ihre Regimentsführende Mutter – sehenswert Johanna Mertinz – nicht durchsetzen kann und zu spät merkt, dass diese ihren Enkel zu sehr der „frischen Luft“ ausgesetzt hat, weil sie dieses „Bankert“ nicht im Haus haben möchte.

Nils Hausotte spielt ihren mittellosen Sohn Alfred, der sich aber durch verschiedene Gspusis – wie mit der Trafikantin Valerie (Alexandra-Maria Trimmel) und Wetten über Wasser zu halten versucht. Klarerweise ist er damit nicht der ideale Schwiegersohn für den Zauberkönig, der den Fleischer Oskar (Lukas Haas) als segensreiche Verbindung für seine Marianne vorgesehen hat.

Doch diese – hervorragend dargestellt durch Clara Wolfram – steht anderes im Sinn. Sie will ihr Leben und ihre Liebe selbst in die Hand nehmen und scheitert auf allen Ebenen: in ihrer Liebe mit Alfred, der sie allein mit ihrem unehelichen Kind aus sich gestellt lässt, verstoßen von ihrem Vater, ohne Ausbildung, nur zum Heiraten erzogen, bleibt ihr schließlich nur der Weg als nackte Tänzerin in einer Revue, um sich und ihr Kind, das in der Zwischenzeit von Alfred zu seiner Mutter und Großmutter in die Wachau abgeschoben wurde, durchzubringen.

(Fotos © Schloss-Spiele Kobersdorf, Vogus)
Obwohl der Rittmeister (Alexander Strobele) versucht, durch einen Besuch im Maxim dem Zauberkönig ihre schwierige Lage vor Augen zu führen, scheitert er. Erst Valerie, die sich mit ihrem Ex-Liebhaber Alfred wieder versöhnt, schafft auch die Versöhnung zwischen Vater und Tochter.

Oskar, der Marianne auf seine besitzergreifende Art und Weise noch immer liebt, ist damit auch am Ziel. Er kann Marianne nun endlich heiraten, da auch das „Problem“ Kind nicht mehr existiert.

Tristan Witzel (Foto © Schloss-Spiele Kobersdorf, Vogus)
Herrlich auch Tristan Witzel als Neffe Erich des Zauberkönigs, der die beginnende Begeisterung für Hitler und den Nationalsozialismus ins Geschehen einbringt.

Eine wunderbare Inszenierung von Michael Gampe, die zwar auch ihre humorvollen Seiten zeigt, aber einem aber ganz schnell wieder ernst sein lässt. Und manches Gelächter an Szenen der Aufführung ließ mich daran denken, wie wichtig es ist die „Geschichten“ aufzuführen und wie wenig sich anscheinend bei manchen Menschen die Gedanken und die Einstellungen geändert haben.
Es ist kein reines Unterhaltungsstück des Sommertheaters, aber ich denke, „nur“ Sommertheater wollten die „Koberdorfer“ mit ihren Aufführungen nie präsentieren: Das Nachdenken, das „etwas mitnehmen“ für sich selbst war Wolfgang Böck und seinem Team immer schon wichtig.

Und so ist es diesmal auch – daher in Abwandlung des alten Farkas-Ausspruchs: „Schaut euch das an!“ Tickets online unter https://shop.schlossspiele.com/Events?ret=1
Zusätzlicher Tipp: Dieses Jahr werden – neben dem freien Eintritt in die renovierte Synagoge und deren Ausstellung – an bestimmten Tagen Führungen durch das Schloss Kobersdorf angeboten, die die Schlossbesitzerin Dr. Anna Schlanitz-Bolldorf persönlich durchführt.

Mehr darüber findet ihr hier: https://www.schlossspiele.com. Eine Anmeldung ist unbedingt erforderlich.
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